Kurzfassungen der Meteorologentagung DACH
DACH2022-119, 2022
https://doi.org/10.5194/dach2022-119
DACH2022
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Ein indikatorbasierter Ansatz zur Schätzung der wetterbedingten Wintermortalität von Bienenvölkern

Benedikt Becsi1, Herbert Formayer1, and Robert Brodschneider2,3
Benedikt Becsi et al.
  • 1Institut für Meteorologie und Klimatologie, Department für Wasser-Atmosphäre-Umwelt, Universität für Bodenkultur Wien, Österreich (benedikt.becsi@boku.ac.at, herbert.formayer@boku.ac.at)
  • 2Institut für Biologie, Universität Graz, Österreich (robert.brodschneider@uni-graz.at)
  • 3Institut für Nutztierwissenschaften, Department für Nachhaltige Agrarsysteme, Universität für Bodenkultur Wien, Österreich (robert.brodschneider@uni-graz.at)

Die Honigbiene ist eines der wichtigsten vom Menschen gehaltenen Insekten. Neben der ökonomischen Bedeutung der Bienenprodukte Honig, Wachs, Propolis und Gelée royale kommt der Bienenhaltung eine enorme ökologische Bedeutung durch die Bestäubung von Wild- und Ackerpflanzen zu. Weltweit wurden in den vergangenen Jahren hohe Verluste von geimkerten Bienenvölkern gemeldet.

Eine mit internationalen Standards definierte Maßzahl ist die Wintersterblichkeit von Bienenvölkern, die in Österreich seit 2008 in einer Langzeitstudie systematisch erhoben wird. Ein weltweit einzigartiger Datensatz, der 266.000 Bienenvölker für die Jahre 2011-2020 umfasst, wurde für eine Analyse der Wetterabhängigkeit der Wintersterblichkeit herangezogen. Dabei wurde ein neuartiger Ansatz gewählt: Über das Jahr spielen biophysikalische Prozesse eine wichtige Rolle für die Vitalität der Kolonie. Für vier dieser Prozesse wurden Wirkketten identifiziert, die diese mit dem Wettergeschehen verknüpfen. Anhand von Indikatoren wurde ein hochaufgelöster Beobachtungs-Gitterdatensatz nach diesen spezifischen Wetterereignissen durchsucht.

Die Korrelationen zwischen Wetter und Wintermortalität wurden mittels einfacher und multipler linearer Regressionen österreichweit sowie auf Bezirksebene statistisch analysiert. Zum einen ging es um die relative Bedeutung der einzelnen Wetterereignisse, zum anderen um die Erklärungskraft der kombinierten Indikatoren. Die Dauer extremer Kältewellen im Spätwinter wurde als wichtigster Faktor identifiziert, der allein im Mittel über alle Bezirke mit passender Korrelation etwa 20% der Mortalitätsraten erklären konnte. Die Möglichkeit für Reinigungsflüge und Wassersammeln im Frühwinter, gegeben durch regelmäßig auftretende Schönwetterperioden, stellte sich als zweitwichtigster Prädiktor heraus (R2 von 0.13). Multiple Modelle konnten zwar noch höhere Anpassungsgüte erreichen, wiesen aber aufgrund der statistisch gesehen kurzen Zeitreihe Anzeichen von Überanpassung (Overfitting) auf.

Die Ergebnisse quantifizieren den direkten und indirekten Einfluss des Wetters auf die Wintersterblichkeit von Bienenvölkern erstmals anhand biophysikalischer Wirkketten. Der Ansatz kann in mehrerlei Hinsicht weiterentwickelt werden: Durch Einbeziehung von Imker*innen bei der Festlegung von Wirkketten und Indikatoren; durch die Erweiterung der Modelle mit Daten zur Landnutzung, Management des Bienenstockes, Krankheiten, Pestizideinsatz und Phänologie; sowie durch die Analyse der Wechselwirkungen verschiedener biophysikalischer Prozesse untereinander. Die untersuchten Korrelationen stellen letztlich die Situation im aktuellen Klima dar. Im Zuge des Klimawandels können sie sich aufgrund von Systembrüchen ändern oder sogar umkehren.

How to cite: Becsi, B., Formayer, H., and Brodschneider, R.: Ein indikatorbasierter Ansatz zur Schätzung der wetterbedingten Wintermortalität von Bienenvölkern, DACH2022, Leipzig, Deutschland, 21–25 Mar 2022, DACH2022-119, https://doi.org/10.5194/dach2022-119, 2022.