Re-thinking „Smart City“ – Über den Transfer von Stadtklimaforschung in den Planungsprozess
- 1Süddeutsches Klimabüro, Institut für Meteorologie und Klimaforschung - Department Troposphärenforschung, Karlsruher Institut für Technologie, Karlsruhe (Klimabuero@kit.edu)
- 2Institut für Meteorologie und Klimaforschung - Institut für Umweltforschung, Karlsruher Institut für Technologie, Garmisch-Partenkirchen (stefan.emeis@kit.edu)
- 3Geographisches Institut, Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Mainz (H.Simon@geo.uni-mainz.de)
2050 werden fast 70 % der Menschen in Städten leben, was urbane Räume besonders vulnerabel gegenüber Klimaveränderungen macht. Deswegen ist es wichtig, dass sich Grundsätze einer klima-resilienten Stadt bereits im Planungsprozess wiederfinden. Eine Diskussion von Anpassungsmaßnahmen bedarf dabei, vor allem im komplexen städtischen Wirkungsgefüge, einer ganzheitlichen Herangehensweise und erfordert eine skalenübergreifende Betrachtung von Zusammenhängen, sowohl räumlich als auch zeitlich. Vorliegender Beitrag beleuchtet den Begriff “Smart City“ von der meteorologisch-stadtklimatischen Seite hinsichtlich dessen Eignung für die Definition einer nachhaltigen Stadtplanung anhand einer Sammlung existierender Stadtklimastudien und eigener Modellrechnungen. Ein daraus abgeleiteter Maßnahmenkatalog soll dazu beitragen Erkenntnisse aus diesen Studien für die konkrete Stadtplanung nutzbar zu machen und interdisziplinären Austausch zu fördern. Wie zahlreiche Studien belegen, kommt zum Beispiel städtischer Vegetation, oder sog. „Nature Based Solutions“ in der regionalen Anpassung an den Klimawandel durch deren Kühlwirkung und Luftreinhaltung eine besondere Doppelbedeutung zu. Deren lokales Anpassungspotential innerhalb einer betrachteten Straßenschlucht, unter vorherrschendem Mikroklima und regionalen meteorologischen und klimatischen Randbedingungen, muss allerdings fallspezifisch analysiert und Entscheidungen auf die jeweiligen lokalen Gegebenheiten und beteiligten Akteure zugeschnitten werden. Nachhaltige urbane Architektur zum Beispiel muss neben ästhetischen Aspekten eine ausgewiesene Klimafunktion erfüllen, was unter anderem auch eine meteorologische Sichtweise der Prozesse erfordert. So entsteht zum Beispiel durch die Kühlwirkung von reflektierenden Fassaden oder Dächern ein positiver Effekt auf den Energieverbrauch in den Sommermonaten. Auch eine bestimmte Anordnung von Gebäuden oder Dachneigungen begünstigt oder reduziert die Durchströmung von Kaltluft und die turbulente Durchmischung der bodennahen Atmosphäre. Eigene Simulationen im Rahmen einer Modellstudie für die Metropolregion Rhein-Main beschreiben einen weiteren interessanten Zielkonflikt. Durch Kopplung eines Chemie-Transport Modells mit dem Mikroklimamodell ENVI-met konnte exemplarisch für die Stadt Mainz, bzw. ausgewählte Straßenzüge gezeigt werden, dass bestimmte, aktuell verwendete Baumarten wie die Platane, unter Hitzestress und Einwirkung von Verkehrsemissionen verstärkt leicht flüchtige organische Verbindungen (BVOCs) ausstoßen, welche unter Einwirkung von Sonnenlicht wiederum bodennahe Ozonkonzentrationen erhöhen. Als ein Beispiel von vielen zeigen diese Ergebnisse auf, dass eine klima-angepasste Stadt mehrdimensional betrachtet werden muss um die Gesamtwirkung einer Maßnahme zu bewerten.
How to cite: Fallmann, J., Emeis, S., Simon, H., Sinsel, T., and Schipper, J.: Re-thinking „Smart City“ – Über den Transfer von Stadtklimaforschung in den Planungsprozess, 12. Deutsche Klimatagung, online, 15 March–18 Mar 2021, DKT-12-55, https://doi.org/10.5194/dkt-12-55, 2020