DACH-9
Numerische Wettervorhersage, Nowcasting und Vorhersagekommunikation/Numerical weather prediction, nowcasting and gorecast communication

DACH-9

Numerische Wettervorhersage, Nowcasting und Vorhersagekommunikation/Numerical weather prediction, nowcasting and gorecast communication
Conveners: Roland Potthast, Martin Weissmann
Oral programme
| Mon, 21 Mar, 16:00–18:00|Hörsaal 2
Poster programme
| Attendance Tue, 22 Mar, 11:00–12:30|Foyer

Oral programme: Mon, 21 Mar, 16:00–18:00 | Hörsaal 2

Chairperson: Jan Keller
16:00–16:15
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DACH2022-83
Michael Riemer, George Craig, Tobias Selz, and Franziska Teubler

Die nicht-linearen Multiskalendynamik der Atmosphäre begrenzt den Zeitraum, über den Vorhersagen dieses komplexen Systems möglich sind. Wir betrachten die Dynamik, die zum Anwachsen von Unsicherheit in Mittelfrist-Vorhersagen führt, basierend auf der potentiellen-Vorticity (PV) Sichtweise der Dynamik der mittleren Breiten. Ausgehend von der PV-Gleichung beschreiben wir quantitativ das Anwachsen der Unterschiede in der PV zwischen Vorhersage und Analyse bzw. zwischen Mitgliedern einer Ensemblevorhersage. Die Tendenzen dieser PV-Unterschiede können wir dabei verschiedenen Prozessen und Mechanismen zuordnen. Unsere PV Diagnostik stellt dadurch ein wertvolles Werkzeug dar, um mechanistisches Verständnis des strömungsabhängigen Anwachsens von Vorhersageunsicherheit zu erlangen.

Wir betrachten in dieser Präsentation numerische Experimente sowie auch operationelle Vorhersagen. In den numerischen Experimenten, ausgehend von sehr geringen Störungen der "Vorhersage", finden wir ein drei-Phasen Modell für das Anwachsen der Unsicherheit. Besonders spannend ist dabei, dass sich die quantifizierten dominanten Prozesse in zwei der drei Phasen von bisherigen Modellen des Anwachsens der Unsicherheit bedeutend unterscheidet: Konsistent mit vorherigen Studien sind Feuchtprozesse auf der konvektiven Skala maßgeblich für die erste Phase. In einer zweiten Phase werden die Unsicherheiten durch divergentes Ausströmen in der oberen Troposphäre auf die Tropopause projiziert, wo sie in der dritten Phase durch nicht-lineare Wellendynamik verstärkt werden. Die Prozesse, die das Anwachsen der Unsicherheit dominieren, können sich demnach bedeutend von den dominierenden Prozessen des zugrunde liegenden Systems unterschieden: Baroklines Wachstum spielt keine bedeutende Rolle für das Anwachsen von Unsicherheit in dem hier präsentierten Mittel über viele Fälle.

Für die Entwicklung von Wettervorhersagesystemen scheint es von besonderem Interesse zu sein zu untersuchen, wie Modellfehler oder stochastische Parametrisierungen das divergente Ausströmen in der oberen Troposphäre verändern. Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass es gerade dieses Ausströmen ist, das das weitere Anwachsen der Vorhersageunsicherheit durch nichtlineare Wellendynamik am effizientesten auslöst.

How to cite: Riemer, M., Craig, G., Selz, T., and Teubler, F.: Grenzen der Vorhersagbarkeit in den mittleren Breiten aus Sicht der potentiellen Vorticity, DACH2022, Leipzig, Deutschland, 21–25 Mar 2022, DACH2022-83, https://doi.org/10.5194/dach2022-83, 2022.

16:15–16:30
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DACH2022-175
Hans Volkert and David M. Schultz

Computergestützte Vorhersage- und Nowcasting-Methoden berücksichtigen heutzutage eine Vielzahl von physikalischen Prozessen, die bei der Integration der dynamischen Gleichung aktiv mitwirken. Vor hundert Jahren erarbeitete der Schwede Tor Bergeron (1891-1977) in Bergen und zeitweise in Leipzig eine Monographie "Über die dreidimensional verknüpfende Wetteranalyse", welche eine ganze Reihe derartiger Prozesse zu quantifizieren suchte und ihre Rolle bei der Entstehung und Fortbewegung von Luftmassen und besonders von Zyklonen darlegte. Die Arbeit erschien schließlich 1928 als umfangreiche Dissertationsschrift im Band 5 der noch jungen Zeitschrift Geofysiske Publikasjoner.

Zu den ausführlich dargelegten atmosphärenphysikalischen Meilensteinen gehören etwa: eine Diskussion von atmosphärenphysikalischen Erhaltungsgrößen; die Berücksichtigung von Aerosolen; die Dokumentation der Blockierung einer Frontalzone an den Alpen mit nachfolgender Leezyklogenese; die Entstehung von Luftmassentypen (kalte und warme) aufgrund von diabatischen Prozessen; die Verbindung von Sichtweite, Aerosolgehalt und Luftmassentyp; die Darstellung einer Prozesskette zur Niederschlagsbildung (heute: Wegener-Bergeron-Findeisen-Prozess); die Präsentation eines kompletten Jahres (1922) von Aufstiegsdaten der potentiellen Temperatur als Beleg wechselnder Luftmassen. 

Die Präsentation folgt einer aktuellen Veröffentlichung (Schultz et al., 2020), welche die erstmalige Übersetzung von Bergerons Dissertation ins Englische begleitet. Wesentliche Abbildungen werden eingehend erläutert und mit neueren Daten verglichen. Lokale Bezüge zum Geophysikalischen Institut der Universität Leipzig unter Professor Weickmann werden besonders berücksichtigt.

Literaturhinweise:

Bergeron, T., 1928:  Über die dreidimensional verknüpfende Wetteranalyse. Erster Teil. Prinzipielle Einführung in das Problem der Luftmassen- und Frontenbildung. Geofys. Publ., 5 (6), 1–118; online: www.ngfweb.no/docs/NGF_GP_Vol05_no6.pdf

Schultz, D.M., H. Volkert, B. Antonescu, and H.C. Davies, 2020:   Defender and Expositor of the Bergen Methods of Synoptic Analysis - Significance, History, and Translation of Bergeron’s (1928) “Three-Dimensionally Combining Synoptic Analysis”. Bull. Amer. Meteorol. Soc., 101, E2078-E2094; online: https://doi.org/10.1175/BAMS-D-20-0021.1  .  

How to cite: Volkert, H. and Schultz, D. M.: Wetteranalyse als konkrete physikalische Herausforderung: Tor Bergerons bahnbrechende Beiträge aus Bergen und Leipzig während der 1920er Jahre, DACH2022, Leipzig, Deutschland, 21–25 Mar 2022, DACH2022-175, https://doi.org/10.5194/dach2022-175, 2022.

16:30–16:45
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DACH2022-275
Martin Göber, Katja Schulze, and Nadine Fleischhut

In den letzten Jahrzehnten hat die Meteorologie große Fortschritte bei der Erstellung zuverlässiger probabilistischer Vorhersagen gemacht. Vorhersagen und insbesondere Wetterwarnungen werden aber weiter fast ausschließlich deterministisch kommuniziert. Dass probabilistische Information nicht kommuniziert wird, behindert nicht nur die gemeinsame Entscheidungsfindung zwischen Meteorologen, Organisationen und der Öffentlichkeit. Diese Praxis berücksichtigt auch nicht, dass probabilistische Information durchaus auch von Laien bevorzugt werden kann, das Vertrauen in Vorhersagen erhöhen kann und zu besseren Entscheidungen führen kann. Für die praktische Nutzung der Unsicherheitsinformation muss z.B. geklärt werden unter welchen Bedingungen sie hilfreich ist, wie sie verbal und grafisch aufbereitet werden soll und welche institutionellen und operationellen Fragen geklärt werden müssen.

 

In diesem Beitrag stellen wir exemplarische Ergebnisse eigener sozialwissenschaftlicher Studien im Rahmen des Projektes WEXICOM des Hans-Ertel-Zentrums für Wetterforschung (HErZ) zu folgenden Fragestellungen vor: Was wissen Nutzer*innen über die Unsicherheit von Vorhersagen? Welche Einstellungen haben Nutzer*innen zur Angabe von Unsicherheitsinformation, d.h. z.B. wollen sie diese Information erhalten? Wie wird Unsicherheit verbal kommuniziert? Welche graphischen Darstellungen präferieren Nutzer*innen? Ab welcher Wahrscheinlichkeit würden Nutzer*innen reagieren? Welchen Einfluss haben Raum- und Zeitbezug von Unsicherheitsinformation auf das Verständnis der Information und wie beeinflussen sie die Nutzung für Entscheidungen?  Schließlich stellen wir dar, welche Herausforderungen und neuen Ansätze es gibt für die Kommunikation und Nutzung von Unsicherheitsinformation in der Wettervorhersage.

How to cite: Göber, M., Schulze, K., and Fleischhut, N.: Empirische Erkenntnisse zur Kommunikation der Unsicherheit von Wettervorhersagen und Warnungen, DACH2022, Leipzig, Deutschland, 21–25 Mar 2022, DACH2022-275, https://doi.org/10.5194/dach2022-275, 2022.

16:45–17:00
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DACH2022-273
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ys
Philipp Gasch, Andreas Wieser, Ulrich Corsmeier, Norbert Kalthoff, Thomas Feuerle, and Christoph Kottmeier

Flugzeuggetragene Doppler-Lidar Messungen stellen ein wertvolles Werkzeug für die meteorologische Forschung dar, da sie gezielte und räumlich hoch aufgelöste Beobachtungen atmosphärischer Strömungsphänomene ermöglichen.

In den letzten Jahren wurde vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) gemeinsam mit der TU Braunschweig ein neues flugzeuggetragenes Doppler-Lidar System für den Einsatz an Bord des Forschungsflugzeugs Dornier 128-6 (Rufzeichen D-IBUF) entwickelt. Das System besteht aus einem Lockheed Martin WindTracer WTX Doppler-Lidar und einem speziell für das Flugzeug von der Arges GmbH entwickelten 2-Achsen-Scanner. Im Vergleich zu bereits existierenden flugzeuggetragenen Doppler-Lidaren bietet das neue System eine höhere räumliche Auflösung und mehr Flexibilität für gezielte Messungen, u.a. aufgrund der niedrigen Fluggeschwindigkeit und VFR-Fähigkeit des Trägerflugzeugs Dornier 128.

Im Sommer 2021 wurde unter Führung des Instituts für Meteorologie und Klimaforschung (IMK-TRO) des KIT die Swabian MOSES-Feldmesskampagne als Teil des Helmholtz-Verbundvorhabens MOSES im Südwesten Deutschlands durchgeführt, an der sich 10 deutsche wissenschaftliche Einrichtungen beteiligten. Hierbei fanden erste ausführliche Messungen mit dem neuen flugzeuggetragenen System statt. Eines der Ziele der Messkampagne ist die Untersuchung hochreichender konvektiver Systeme, wie sie häufig zwischen dem Schwarzwald und der Schwäbischen Alb im Südwesten Deutschlands beobachtet werden.

Der Beitrag stellt Ergebnisse vor, die durch die Kombination aus flugzeuggestützten und bodengebundenen Lidar-Messungen erzielt wurden. Die durch das Messkonzept ermöglichten Beobachtungen sollen Einblicke in Strömungsprozesse im Gewitterumfeld geben. Nach einem Überblick über die durchgeführten Messungen wird die erreichte Messqualität des flugzeuggetragenen Doppler-Lidar validiert. Der Vergleich mit Messungen von bodengebundenen Doppler-Lidar an drei Standorten ergibt dabei eine gute Übereinstimmung. Es zeigt sich, dass die hochauflösenden, linienhaften flugzeuggetragenen Doppler-Lidar Messungen in der Lage sind, einzigartige Einblicke in die Strömungsdynamik zu liefern. Der Einfluss der Orographie auf die Strömung ist eindeutig nachweisbar, sowohl lokale Talzirkulationen als auch Gebirgsleeeffekte sind zu beobachten. Die Kombination von flugzeuggestützten und bodengebundenen Doppler-Lidar Messungen ermöglicht es zudem, die Repräsentativität der bodengebundenen Messungen zu beurteilen. Eine weitere Kombination mit Radarbeobachtungen liefert den Kontext für die mit dem Strömungsfeld assoziierte Gewitteraktivität. Somit erweist sich die Kombination von flugzeuggetragenem Doppler-Lidar mit bodengebundenen Fernerkundungsnetzwerken als geeignetes Verfahren, um neue Einblicke in Strömungsphänomene im Gewitterumfeld zu gewinnen. Abschließend wird das weitere Potenzial der Doppler-Lidar Messungen diskutiert und mögliche zukünftige Aktivitäten aufgezeigt.

How to cite: Gasch, P., Wieser, A., Corsmeier, U., Kalthoff, N., Feuerle, T., and Kottmeier, C.: Neue Einblicke in Strömungsphänomene im Gewitterumfeld durch gezielte Messungen mittels flugzeuggetragenem Doppler-Lidar, DACH2022, Leipzig, Deutschland, 21–25 Mar 2022, DACH2022-273, https://doi.org/10.5194/dach2022-273, 2022.

17:00–17:15
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DACH2022-190
Ulrich Blahak and Julia Keller and the SINFONY Team

Das neue Seamless INtegrated FOrecastiNg sYstem (SINFONY) des DWD wird innerhalb der nächsten 2-3 Jahre das Licht der Welt erblicken, nach 4 Jahren intensiver Forschungs- und Entwicklungsarbeiten in zwei internen Projekten. Zunächst sollen damit insbesondere die extremen sommerlich-konvektiven Starkregenereignisse auf der Kürzestfristskala von 0 - 12 h addressiert werden, die noch immer ein großes Problem im Vorhersage- und Warndienst darstellen. Ein zusätzliches hochaufgelöstes ICON-Ensemble-Modell mit Assimilation hochaufgelöster Fernerkundungsdaten, angepasster Modellphysik und stündlich neuen Vorhersagen in einem "Rapid Update Cycle" (SINFONY-RUC-EPS) ist eine der Kernkomponenten des Systems.

Es gibt verschiedene "optimale" Vorhersagemethoden für verschiedene Vorhersagezeitbereiche und verschiedene Wetterphänomene. Für Niederschlag und konvektive Ereignisse bis zu einigen Stunden, simple advektionsbasierte Extrapolationstechniken wie z.B. Radar-Nowcasting zeigen guten Skill bis zu etwa 2 h (natürlich situationsabhängig), während die Numerische Wettervorhersage (NWV) erst danach besser wird. Ensembles von Nowcasting sowie NWV helfen, die Vorhersageunsicherheiten abzuschätzen. "Optimal" kombinierte Niederschlagsvorhersagen als Funktion der Vorhersagezeit aus Nowcasting (dominiert am Anfang) und NWV (dominiert am Ende) bilden dann bruchfreie ("seamless") Vorhersagen.

Verschiedene interdisziplinäre Projektteams arbeiten eng zusammen bei der Entwicklung von
a) Radar Nowcasting ensembles für Niederschlag, Radarreflektivität und konvektive Zell-Objekte
b) Stündliche SINFONY-RUC-EPS NWP auf der km-Skala mit Assimilation von 3D Radar Volumendaten (Radialwind, Reflektivität, Zell-Objekte),    Meteosat VIS Kanäle und Blitzdaten
c) Optimale Kombination aus Nowcasting und NWV Ensemblevorhersagen im Beobachtungsraum (Niederschlag, Reflektivität, Zell-Objekte)
d) Systeme zur vergleichenden Verifikation von Nowcasting und NWV in diesem Beobachtungsraum. Insbesondere die Verifikation von Zell-Objekten wird uns ganz neue Einsichten in die Repräsentation von Eigenschaften konvektiver Zellen in unseren NWV-Modellen geben.

Für b) ermöglichen neue innovative und effiziente Vorwärtsoperatoren für Radarvolumendaten und sichtbare Satellitenkanäle die direkte Assimilation solcher Daten im Rahmen unseres LETKF-Systems (Localized Ensemble Transform Kalman Filter).  Eine fortschrittliche Modellphysik (2-Momenten Bulk Mikrophysikparametrisierung, stochastische Grenzschichtparametrisierung) trägt zur verbesserten Vorhersage konvektiver Wolken bei.

Für c) und d) gibt das SINFONY-RUC-EPS simulierte Radarreflektivitäts-Volumenscan-Ensembles des gesamten DWD Radarverbunds alle 5 min aus den Vorhersageläufen aus. Ensembles von synthetischen Radarkomposits und vorhergesagten Tracks konvektiver Zell-Objekte werden mit derselben Software und denselben Algorithmen produziert, so wie sie auch auf die Beobachtungen angewandt werden.

Bruchfrei kombinierte Zell-Objekte aus Nowcasting und NWV werden dabei helfen, den DWD-Warnprozess vor konvektiven Ereignissen hin zu einem flexiblen "Warn-on-objects" weiterzuentwickeln. Kombinierte Ensembles aus Niederschlags- und Reflektivitätskomposits sind auch für die Hochwasservorhersage interessant.

Der Vortrag gibt einen Überblick über das Konzept und den aktuellen Stand des SINFONY sowie über die derzeitigen Pläne hin zu einer operationellen Einführung in den nächsten Jahren.

 

 

How to cite: Blahak, U. and Keller, J. and the SINFONY Team: SINFONY - die Kombination aus Nowcasting und Numerischer Wettervorhersage auf der konvektiven Skala am DWD, DACH2022, Leipzig, Deutschland, 21–25 Mar 2022, DACH2022-190, https://doi.org/10.5194/dach2022-190, 2022.

17:15–17:30
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DACH2022-186
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ys
Jannik Wilhelm, Ulrich Blahak, Robert Feger, Kathrin Wapler, Roland Potthast, and Michael Kunz

Trotz signifikanter Verbesserungen in den vergangenen Jahren sind die Unsicherheiten insbesondere bei der Vorhersage von Gewittern und ihren Begleiterscheinungen wie Starkregen, Hagel oder Sturmböen selbst mit konvektionsauflösenden Wettervorhersagemodellen der Wetterdienste noch immer zu groß, um daraus verlässliche und möglichst punktgenaue Warnungen abzuleiten. Für kurzfristige Präventionsmaßnahmen bis hin zur Evakuierung von Menschen beispielsweise bei Veranstaltungen im Freien sind präzise Vorhersagen auf kurzen Zeitskalen jedoch unerlässlich. Mit den Verfahren der Echtzeit-Vorhersage (Nowcasting) lassen sich Gewitterereignisse und ihre wesentlichen Merkmale identifizieren und aus der Kenntnis der Historie für Zeitskalen von einigen Minuten bis zu wenigen Stunden extrapolieren beziehungsweise vorhersagen. Die üblicherweise kurze Lebensdauer konvektiver Ereignisse und deren schnelle Entwicklung während instabiler Wetterlagen führen jedoch oftmals zu einer erheblichen Diskrepanz zwischen den Nowcasting-Vorhersagen und den beobachteten Wetterbedingungen. Hier besteht folglich ein großes Verbesserungspotential.

Präsentiert wird eine Analyse der Lebenszyklen von konvektiven Zellen in Deutschland, welche die vorherrschenden atmosphärischen Bedingungen miteinbezieht. Außerdem werden verschiedene statistische Modelle zur Abschätzung der Lebensdauer und Größe konvektiver Zellen im Sinne des Nowcastings vorgestellt. Ein Vergleich dieser Modelle ermöglicht es zu beurteilen, welche Methode am besten geeignet ist, Nowcasting-Verfahren für Warnmanagementsysteme von Wetterdiensten zu verbessern.

Unter Verwendung von Daten des radarbasierten Zellverfolgungsalgorithmus KONRAD des Deutschen Wetterdienstes (DWD) wurden objektbasierte Lebenszyklen von isolierter Konvektion (Einzel- und Superzellen) für die Sommerhalbjahre 2011-2016 analysiert. Zusätzlich wurde eine Vielzahl konvektionsrelevanter atmosphärischer Variablen (z.B. Deep Layer Shear, CAPE, Lifted Index), die mittels hochauflösender COSMO-EU Assimilationsanalysen berechnet wurden, mit den Lebenszyklen kombiniert. Auf der Grundlage dieses kombinierten Datensatzes werden statistische Zusammenhänge zwischen verschiedenen Zellattributen und atmosphärischen Variablen diskutiert. Wie die Analysen zeigen, sind insbesondere Maße der vertikalen Windscherung aufgrund ihres Einflusses auf die Organisationsform der Zellen geeignet, zwischen solchen mit kurzer und langer Lebensdauer zu unterscheiden. Erhöhte thermische Instabilität ist mit einem schnelleren anfänglichen Zellwachstum verbunden, was eine größere horizontale Zellexpansion (Zellfläche) während des Lebenszyklus und indirekt eine längere Lebensdauer begünstigt.

Drei verschiedene multivariate Methoden (logistische Regression, Random Forest, nichtlinearer polynomialer Ansatz) wurden als statistische Modelle zur Schätzung der Lebensdauer und der maximalen Zellfläche konvektiver Zellen unter Verwendung eines Ensemble-Ansatzes untersucht ("Überwachtes Maschinelles Lernen"). Die Vorhersagegüte der Modelle wurde mittels probabilistischer Evaluation bewertet und die Bedeutung der anfänglichen Zellentwicklung und der atmosphärischen Variablen für den weiteren Verlauf des Lebenszyklus quantifiziert. Es werden Potentiale und Grenzen der drei Methoden aufgezeigt, die verdeutlichen, dass die Wahl einer geeigneten Methode von dem genauen Nowcasting-Problem bzw. der Anforderung abhängt. Die Untersuchungen legen nahe, dass die maximale Zellfläche konvektiver Zellen besser abgeschätzt werden kann als ihre Lebensdauer. Atmosphärische Variablen, die den dynamischen und thermodynamischen Zustand der Atmosphäre charakterisieren, sind zu Beginn der Zellentwicklung besonders wichtig für die Abschätzung der zukünftigen Entwicklung der Zellattribute, während mit zunehmendem Zellalter die Zellhistorie immer relevanter wird.

How to cite: Wilhelm, J., Blahak, U., Feger, R., Wapler, K., Potthast, R., and Kunz, M.: Einfluss atmosphärischer Umgebungsbedingungen auf den Lebenszyklus konvektiver Zellen im Nowcasting, DACH2022, Leipzig, Deutschland, 21–25 Mar 2022, DACH2022-186, https://doi.org/10.5194/dach2022-186, 2022.

17:30–17:45
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DACH2022-238
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ys
Rohith Muraleedharan Thundathil, Thomas Schwitalla, Andreas Behrendt, Diego Lange, Cyrille Flamant, Olivier Caumont, Dave Turner, and Volker Wulfmeyer

Probabilistic quantitative precipitation forecasting (PrQPF) is a challenging field of meteorology, which is fundamental for the prediction and quantification of extreme precipitation events. With advanced remote-sensing instruments such as lidar systems, it is possible to acquire the high-resolution temporal and spatial dynamical and thermodynamic data for input to the numerical weather prediction (NWP) models through data assimilation (DA) techniques. During the fall, the Mediterranean region is often stricken by heavy precipitation events (HPEs), resulting in a sudden rise of water levels in the rivers and flash floods. Severe damage to life and property arises during these extreme precipitation events every year. A unique and innovative French initiative project, called the Water Vapor Lidar Network assimilation (WaLiNeAs), will start a measurement campaign in early September 2022, deploying a network of autonomous water vapor lidars from research groups of France, Germany, and Italy across the Western Mediterranean. The project aims to implement an integrated prediction tool to enhance the forecast of HPEs in southern France, primarily demonstrating the benefit of assimilating vertically resolved water vapor data in the new version of the French operational AROME NWP system. The Atmospheric Raman Temperature and Humidity Sounder (ARTHUS, (Lange et al. 2019)), from the University of Hohenheim (UHOH), will operate in synergy with other lidar systems. The data collected from the measurement campaign, water vapor and temperature, will be assimilated in the Weather Research and Forecasting (WRF) model system at the Institute of Physics and Meteorology (IPM), UHOH. A thermodynamic lidar operator developed by some of us (Thundathil et al. 2020) will be used to assimilate lidar temperature and water vapor mixing ratio independently. The operator avoids undesirable cross sensitivities to temperature enabling maximum moisture information of the observation to be propagated into the model. An advanced hybrid three-dimensional Variational - Ensemble Transform Kalman Filter (3DVAR-ETKF) DA system with 50 ensemble members, on a convection-permitting resolution of 1.5 km, will be set up for the research study. For the prediction and quantification of the HPE event, the assimilation will be performed in a rapid update cycle mode every 15 minutes before its occurrence. A prototype of the DA system with ten ensemble members and a one-hour rapid update cycle was already developed at IPM (Thundathil et al., 2021). In this case, the impact from a single ground-based lidar spreads spatially for a radius of 100 km. Apart from the improvement in the analyses, the planetary boundary layer height (PBLH) forecast impact persisted 7 hours into forecast time compared with respect to independent ceilometer observations. The results show a promising initiative for future operational lidar network assimilation. We will present the outline and DA setup of the study, highlighting results from our previous lidar DA research.

How to cite: Thundathil, R. M., Schwitalla, T., Behrendt, A., Lange, D., Flamant, C., Caumont, O., Turner, D., and Wulfmeyer, V.: The impact of Ensemble-Based Assimilation of Thermodynamic Lidar Profiles on Forecasts of the Pre-Convective Environment and Convection Initiation of Heavy Precipitation Events over the Mediterranean region: The German contribution to WaLiNeAs, DACH2022, Leipzig, Deutschland, 21–25 Mar 2022, DACH2022-238, https://doi.org/10.5194/dach2022-238, 2022.

17:45–18:00
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DACH2022-55
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ys
Jasmin Vural, Claire Merker, Moritz Löffler, Christine Knist, and Annika Schomburg

Die Kenntnis des Zustandes der atmosphärischen Grenzschicht (ABL) ist für die Verbesserung der numerischen Wettervorhersage von großer Bedeutung. Dennoch ist die ABL bislang nicht ausreichend vermessen, was durch einen systematischen Mangel an Beobachtungen wie z.B. Wind-, Temperatur- und Feuchteprofilen in diesem Bereich bedingt ist. Um sowohl den Raum zwischen Boden- und Satellitenmessungen abzudecken als auch die zeitliche Kontinuität im Vergleich zu Radiosonden- und Flugzeugmessungen zu erhöhen, werden im Rahmen des DWD-Projektes „Pilotstation“ verschiedene bodengebundene Fernerkundungsmessgeräte evaluiert, welche die untere Atmosphäre im Profil vermessen.

Das Mikrowellenradiometer (MWR) ist das erste der Messgeräte, das in das ICON/KENDA-System am DWD assimiliert wird. Um die ICON-Modellprofile in den Beobachtungsraum (Strahlungstemperatur Tb) zu transformieren, wenden wir als Vorwärtsoperator das Strahlungstransportmodell RTTOV-gb an. Die Sensitivitätsfunktionen für die vertikale Lokalisierung der einzelnen Kanäle werden ebenfalls von RTTOV-gb berechnet. Als Ausgangspunkt für eine dynamische Biaskorrektur haben wir über einen längeren Zeitraum die systematische Abweichung zwischen Beobachtungen und Modell bestimmt und dabei festgestellt, dass die transparenten V-Band-Kanäle besonders starke systematische Abweichungen aufweisen. Die richtige Einstellung des Assimilationssystems ist relativ herausfordernd, insbesondere, da die Kreuzkorrelationen der Beobachtungsfehler der Kanäle untereinander vom System nicht richtig berücksichtigt werden können. Die Upper-Air-Verifikation zeigt jedoch, dass die MWR-Messungen eine positive Auswirkung auf die Vorhersage haben können.

Wir stellen verschiedene Assimilationsexperimente vor und diskutieren den Einfluss der Tuningparameter auf die Ergebnisse. Zusätzlich präsentieren wir erste Ergebnisse der Assimilation von Doppler-Lidar-Winden. Da hier kein komplexer Vorwärtsoperator nötig ist, können die Messwerte im Gegensatz zum MWR direkt ins Assimilationssystem eingespeist werden.

How to cite: Vural, J., Merker, C., Löffler, M., Knist, C., and Schomburg, A.: Assimilation von bodengebundenen Profiler-Messungen der atmosphärischen Grenzschicht, DACH2022, Leipzig, Deutschland, 21–25 Mar 2022, DACH2022-55, https://doi.org/10.5194/dach2022-55, 2022.

Poster programme: Tue, 22 Mar, 11:00–12:30 | Foyer

P40
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DACH2022-155
Helge Knoop and Björn Maronga

Starke Windböen gelten als größtes Sicherheitsrisiko in der Luftfahrt. Besonders gefährlich werden sie für Flugzeuge in unmittelbarer Nähe des Flughafens während des Starts und der Landung. Um eine Vorhersage der bodennahen Böen bei Starkwind-Wetterlagen zu erhalten, verlässt sich die Luftfahrt derzeit noch auf empirische Böen-Parametrisierungen, die ausschließlich auf mesoskaligen und regionalen numerischen Wettervorhersagedaten basieren. Diese Modelle haben derzeit Gitterauflösungen in der Größenordnung von 1 Kilometer und lösen die lokale Topographie und Vegetation nicht ausreichend auf. Dies ist besonders problematisch, da diese lokalen Hindernisse eine Hauptquelle für oberflächennahe Turbulenz sind. Die oberflächennahe Turbulenz ist maßgebend für die Dauer und Stärke der bodennahen Windböen, sie kann aber durch mesoskalige und regionale numerischen Wettervorhersage-Modelle nicht aufgelöst werden und muss vollständig parametrisiert werden. Folglich vernachlässigen die empirischen Böen-Parametrisierungen die realen lokalen Hindernisse um einen bestimmten Flughafen vollständig, was zu erheblichen Unsicherheiten in der Gefährdungsprognose führt. Die hochauflösende Large-Eddy-Simulation (LES) ist ein angemessenerer und physikalischer Ansatz, um lokale Hindernisse zu berücksichtigen und die durch sie verursachte Turbulenz explizit aufzulösen. Mit dem hochauflösenden LES-Modell PALM untersuchen wir, wie sich Windböen, die durch lokale Hindernisse verursacht werden, auf den bodennahen Luftraum des Frankfurter Flughafens auswirken. Wir vergleichen diese LES-Ergebnisse mit hochauflösenden Windmessungen von mehreren Standorten am Flughafen, und quantifizieren die Vorhersagequalität des LES-Ansatzes im Vergleich zur Vorhersagequalität der traditionellen empirischen Böen-Parametrisierungen. Schließlich skizzieren wir, wie PALM als Lupe in mesoskalige Modelle eingebettet werden kann, um ein neues und verbessertes Vorhersagesystem für Gefahren durch Windböen an Flughäfen bereitzustellen. Dieses neue Vorhersagesystem kann verwendet werden, um bestehende empirische Böen-Parametrisierungen zu verbessern, und es kann in einem operationellen Umfeld angewendet werden, um verbesserte Gefährdungsprognosen zu Windböen zu liefern.

How to cite: Knoop, H. and Maronga, B.: Ein LES-basiertes System zur Kurzfrist-Vorhersage von Böen und Nebel im Umfeld von Flughäfen, DACH2022, Leipzig, Deutschland, 21–25 Mar 2022, DACH2022-155, https://doi.org/10.5194/dach2022-155, 2022.

P41
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DACH2022-183
Martin Rempel, Peter Schaumann, Ulrich Blahak, and Volker Schmidt

Verlässliche Niederschlagsvorhersagen innerhalb des Kürzestfristbereichs sind unerlässlich für präzise Warnungen und können die Vorlaufzeit für Entscheidungsträger im Bereich der Gefahrenabwehr und des Rettungswesens erhöhen. In der operationellen Wettervorhersage beruhen Vorhersage und Warnung vor konvektivem Starkniederschlag innerhalb der ersten zwei Stunden auf radarbasierten Nowcastingverfahren, während für spätere Zeitpunkte Simulationen konvektionserlaubender Ensemblevorhersagesysteme genutzt werden.

Im Rahmen des Projekts SINFONY (Seamless INtegrated FOrecastiNg sYstem) des Deutschen Wetterdienstes wird ein integriertes Ensemblesystem auf konvektiver Skala im Bereich der Kürzestfristvorhersage entwickelt. Um die optimale Kombination der bisher unabhängigen Systeme von Nowcasting und numerischer Wetterverhorsage zu erleichtern, wurde mit STEPS-DWD eine Adaption des weitverbreiteten STEPS (u.a. Seed 2003, Bowler et al., 2006) als Nowcast-Ensemble in den Testbetrieb überführt. Basis der NWV ist ICON-D2-RUC, welches derzeit stündlich initialisiert  Ensemblevorhersagen bis +8h Stunden mit einer horizontalen Auflösung von 2,2km liefert. Kernkomponenten dieser Modellversion sind die Nutzung eines Zwei-Momenten-Mikrophysikschemas sowie die zusätzliche Assimilation von hochaufgelösten Fernerkundungsdaten wie 3D-Radardaten und Meteosat-SEVIRI-Daten.

Auf Basis der zwei vorangenannten Ensemblesysteme STEPS-DWD und ICON-D2-RUC werden zwei Methoden zur Kombination der Vorhersagen dieser Systeme präsentiert. In einem ersten Verfahren wird die Methode nach Nerini et al., 2019 adaptiert. Hierbei werden die Vorhersagen von Reflektivitäten und Regenraten im physischen Raum auf Basis eines Ensemble-Kalmanfilters kombiniert. Durch eine zeitlich und räumliche Auflösung von fünf Minuten bzw. 1x1km wird unter Beibehaltung eines realistischen Aussehens der Niederschlagssysteme eine Möglichkeit zur Abschätzung der weiteren Entwicklung bis +6h geschaffen.

Weiterhin wird eine neue statistische Methode vorgestellt, mit der prognostizierte Niederschlagssummen auf Basis Neuronaler Netze (NN) im Wahrscheinlichkeitsraum kombiniert werden (vgl. Schaumann et al., 2021). Ziel ist es, mit einem Training sowohl nahtlose und kalibrierte Vorhersagen zu erhalten, als auch konsistente Überschreitungswahrscheinlichkeiten gegenüber allen Schwellwerten zu erreichen. Für die Optimierung wurden drei Datensätze von jeweils drei Monaten verwendet, wobei die Datensätze A & B Ensemble-MOS und RadVOR mit einer jeweiligen horizontalen Auflösung von 20km beinhalten. In Datensatz C werden Vorhersagen eines dreistündig initialisierten ICON-D2-RUC sowie STEPS-DWD mit einer Auflösung von 2,2km verwendet. Die Hyperparameter der NN wurden mit Datensatz A optimiert und die daraus resultierenden NN mittels Rolling Origin Validation auf Datensatz B & C validiert. Hieraus werden Vorhersagen mit einer zeitlichen Auflösung von 1h bis +6h erzeugt.

Für beide Verfahren wird durch mehrere Verifikationsmetriken (FSS, Bias, Brier Skill Score, Reliability und Reliability-Diagramm) gezeigt, dass die kombinierten Vorhersagen für alle Vorhersagezeiten gleich oder besser als die der individuellen Systeme sind.

How to cite: Rempel, M., Schaumann, P., Blahak, U., and Schmidt, V.: Kombination von NWV- und Nowcasting-Ensembles zur Verbesserung der Vorhersagen konvektiven Starkniederschlags des DWD im Rahmen von SINFONY, DACH2022, Leipzig, Deutschland, 21–25 Mar 2022, DACH2022-183, https://doi.org/10.5194/dach2022-183, 2022.